In jeder Stadt gibt es Straßen, Plätze, Gebäude, Winkel und Ecken die ganz besonders sind. Viele dieser speziellen Orte findet man in den einschlägigen touristischen Hilfestellungen, aber einige nicht. In dieser Rubrik soll es um Orte in Halle gehen, die eine besondere Ausstrahlung besitzen. Einige dieser Orte stehen im Stadtführer, aber die meisten nicht.
Neustädter Passage 6. Am Pförtner vorbei geht es zum Fahrstuhl, der immer etwas auf sich warten lässt. Es ist viel los hier. Es kann auch passieren, dass man gar nicht gleich mit dem ersten Fahrstuhl mitfahren kann, so viele Menschen möchten hier nach oben. Doch all diese Leute wollen gar nicht hoch hinaus. Was sie treibt sind Einladungen zu Bewerbergesprächen, Termine bei Sachbearbeitern, die Hoffnung auf Hilfe bei der Jobsuche oder einfach nur die Forderung nach Geld.
Im Herzen von Halle-Neustadt, in der letzten lebenden Scheibe, die jetzt Bürohaus West heißt, ist das Jobcenter der Stadt Halle untergebracht. Mehr als 10.000 SGB-II-Empfänger gehen dort ein und aus. Weit über 400 Angestellte haben dort ihren Arbeitsplatz. Es ist ein hoch frequentierter und doch kein schöner Ort in Halle.
Doch halt, wir wollten ja ganz rauf. Mit jeder weiteren Etage wird der Fahrstuhl leerer. Dann die 18. Etage, Endstation und eine Überraschung. Hier oben befindet sich ein Ort zum Träumen. Ein Reisecafé, das schon lange vor den Hartz-Reformen hier sein Domizil bezogen hatte, trotzt den tristen Verhältnissen im Hause mit Kaffee, Kuchen und Panoramablick. Auf der Dachterrasse des Jobcenters kann man das Leben mal aus einer anderen Perspektive betrachten. Der Lärm des Neustädter Verkehrs dringt nicht bis hier hinauf. In dieser beruhigenden Umgebung genießt man den Ausblick über Halle-Neustadt, Halle und die gesamte Umgebung. Mühen und Sorgen schrumpfen zusammen so wie auch der alltägliche Wahnsinn, der, kaum noch erkennbar, winzig über den Neustädter Waschbeton krebst.
Während draußen auf dem Dach die nähere Umgebung zu einem Ausflug einlädt, werden drinnen Angebote für große Reisen unterbreitet. Ferne Länder und fremde Kulturen locken auf zahlreichen Postkarten und Plakaten. Mit Blick auf den Horizont kann man da schon mal ins Träumen kommen. Aber nirgends ist das Wegträumen in fremde Welten besser aufgehoben, als direkt über den Mühlen der ortsansässigen Bürokratie, in der Neustädter Passage 6.
[wpmaps company=“Jobcenter Halle“ street=“Neustädter Passage 6″ city=“Halle“] ÖPNV: Tram 2,9,10,11 und Bus 34, Haltestelle Zentrum Neustadt;Öffnungszeiten Café Skyline: Mo – Fr 11:00 -19:00, Sa+So 14:00 – 18:00
Ein Kommentar
Danke für diesen tollen Artikel. Genau deswegen lese ich hier. „Versteckte“ Schönheiten gibt es viele in Halle, für den typischen Touristen jedoch kaum zu entdecken. Ich bin mir sicher jetzt sehen viele den hässlichen Betonklotz mit anderen Augen, oder zumindest dessen oberste Etage.