Beim Röntgen muss man stillhalten, das weiß jeder, der schon einmal unter dem Diagnosegerät lag. Denn sonst sind die Bilder unbrauchbar. Der große Nachteil dabei: Die Knochen werden in Ruheposition abgelichtet, Störungen, die in der Bewegung auftreten, können nicht erkannt werden. Gerade bei tierischen Patienten ist das ein großes Problem. Das in Peißen ansässige Unternehmen Böhme Medizintechnik GmbH entwickelte nun ein in Europa einzigartiges Diagnosegerät, das Röntgenaufnahmen in der Bewegung erlaubt und zur Ganganalyse bei Tieren eingesetzt werden kann.
Die einzige Anlage dieser Art steht derzeit in der veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig und wurde am 11. Februar 2014 offiziell eröffnet. Die sogenannte FluoKin Anlage kann fluoroskopische Bewegungsstudien von Tieren aller Art und Menschen anfertigen, indem diese auf einem Laufband von zwei Seiten geröntgt werden. Dabei entstehen Hochgeschwindigkeitsaufnahmen, die mit computertomografischen Darstellungen kombiniert werden. Das Ergebnis sind 3-D-Bilder, die den exakten Bewegungsablauf der Knochen und Gelenke wiedergeben.
„Technisch ist das vergleichbar mit einer Brustkrebsuntersuchung. Auch dabei kommt es auf eine räumliche Darstellung an“,
so Geschäftsführer Karl-Heinz Böhme. Bis dato musste für die Erfassung von Bewegungsabläufen eine Oberflächenmarkierung der Haut vorgenommen werden, das hatte allerdings zum Nachteil, dass die Bewegungen der Haut ebenfalls erfasst wurden und die Durchleuchtung nicht möglich war.
Vielfältig einsetzbar
Seit August 2013 war die neue Röntgenanlage in der veterinärmedizinischen Fakultät in Leipzig zu Testzwecken im Einsatz. Dabei liefen bisher lediglich Hunde über das Laufband. Nun nahm die Uni aber ein zweites, größeres Laufband in Betrieb, mit dem auch große Tiere wie Pferde und Kühe untersucht werden können. Auch ein Einsatz bei Zootieren ist möglich, betont Böhme. Dabei erinnert er an die vor einem Jahr gestorbene Tigerdame Girl aus dem halleschen Bergzoo, die aufgrund eines gebrochenen künstlichen Hüftgelenks operiert werden musste und das nicht überlebte. Mit der FluoKin Anlage hätte zuvor wohl eine bessere Diagnose gestellt werden können. Selbst die Leiden von Kleintieren können in Zukunft exakter festgestellt werden. In der Einladung zur feierlichen Eröffnung der Universität Leipzig heißt es dazu:
„Prinzipiell ist die Anlage für fluoroskopische Bewegungsstudien aller Art von der Ratte, über den Menschen, bis hin zu Vögeln, Reptilien und Großtieren geeignet. Diese Vielfalt macht sie einzigartig in Europa.“
Patentiertes Gerät „Made in Halle“
Das Patent für die FluoKin Anlage zeigt, dass sich der Wirtschafts- und Wissenschaftsstandort Mitteldeutschland positiv entwickelt. Auch Geschäftsführer Böhme ist von Halle als Ort der Innovationen überzeugt. Denn die gut ausgebaute Infrastruktur ermöglicht es, dass
„wir unsere Geräte schnell ausliefern können und rasch Ersatzteile erhalten“,
sagte Böhme in einem Interview mit der Mitteldeutschen Zeitung. Die enge Zusammenarbeit mit den Veterinären im nahen Leipzig war zudem ebenso bedeutend für das Projekt. Daher wurde das neue Röntgengerät zunächst beim 7. Tierarztkongress in Leipzig, bei dem um die 4.000 Veterinärmediziner geladen waren, präsentiert. Die FluoKin Anlage war dabei eine der Hauptattraktionen. Obwohl eine Anlage zwischen 500.000 und 700.000 Euro kostet, zeigen sich schon erste veterinärmedizinische Einrichtungen aus der Schweiz und den USA interessiert. Die mediale Aufmerksamkeit ist dementsprechend groß, selbst die ARD berichtete bereits über das 3-D-Röntgen bei Tieren.