In jeder Stadt gibt es Orte, Plätze, Straßen, Gebäude, die besonders sind. Die meisten dieser speziellen Orte findet man in Stadtführern oder anderen touristischen Hilfestellungen, aber einige nicht. In dieser Rubrik soll es um hallesche Orte gehen, die eine besondere Ausstrahlung besitzen. Sei es, dass sie eine halletypische Aura verbreiten oder einfach nur die Sinne anregen. Einige von ihnen stehen im Stadtführer, aber die meisten nicht.
Es gibt nicht viele Orte in Halle die mehr Historie und Bedeutung atmen als einer der schönsten Flecken der Stadt überhaupt. Auf dem Martinsberg, im Herzen von Halle, liegt der über 450 Jahre alte Stadtgottesacker. Der Friedhof beherbergt nahezu alle bedeutenden Hallenser der Geschichte und gehört mit seinem Alter und seiner italienischen Renaissance-Architektur zu den interessantesten Begräbnisstätten Europas. Allein schon diese kulturhistorische Relevanz ist Grund genug dem Stadtgottesacker hin und wieder mal einen Besuch abzustatten. Sich dort zu vergewissern, was einzelne Persönlichkeiten leisten können und zu erkennen, dass das Rad der Geschichte immer von den Menschen selbst weitergedreht wird und deshalb auch heute kein Stillstand herrschen muss, kann tröstlich und ermutigend zugleich sein. Doch nicht nur ob seiner kontemplativen Aura sei der Stadtgottesacker hier erwähnt sondern vor allem wegen eines jährlich wiederkehrenden Ereignisses, das der wissende Besucher dort mit großen Augen bestaunen kann.
Jedes Jahr im Frühling, meist in der zweiten Märzhälfte, erwacht auf dem Gelände, das voll und ganz dem Gedenken an die Toten gewidmet ist, das Leben in Form einer ganz zauberhaften, kleinen Blütenpracht. Wie ein blauer Teppich breiten sich Abertausende Blüten fast über das gesamte Areal des Friedhofs aus, überwuchern alte Grabstätten und stehlen den hier liegenden Berühmtheiten die Show. Ein Anblick der noch jedem neuen Besucher ein staunendes Lächeln ins Gesicht gezaubert hat. Es ist der sibirische Blaustern (Scilla siberica), der sich auf dem Stadtgottesacker sichtlich wohl fühlt. Das Pflänzchen hat einen weiten Weg hinter sich. Vor vielen Jahrhunderten schon wurde es als dekorative Zierpflanze aus den Gebieten des heutigen Iran, und der Türkei nach Europa gebracht. Im Laufe der Jahre entzog sich das entführte Blümchen hier und da der Kontrolle der Gärtner und verwilderte so allmählich. Über die Jahre wurde der Blaustern dann zu einem festen Bestandteil der heimische Flora. An günstigen Standorten, so wie auf dem Stadtgottesacker, konnten sich große Bestände entwickeln, die im Frühling, wenn die ersten warmen Sonnestrahlen die Erde erwärmen, mit ihren unzähligen Blüten den Boden blau bedecken.
Der Blaustern zeigt seine Pracht auf dem Stadtgottesacker jedes Jahr von Mitte März bis in den April hinein und kündet so nicht nur vom ewigen Kreislauf der Natur sondern auch vom Sieg des Schönen über das Bedeutende. Ein Anblick den man unbedingt mal Genießen sollte.
[wpmaps company=“Stadtgottesacker“ street=“Gottesackerstraße 7″ city=“Halle“]ÖPNV: Tram 2,5,12 Haltestelle Magdeburger Straße
Öffnungszeiten: täglich 8:00 bis 19:00 Uhr